Über sechs Jahre lang war es dem Graupapagei ‚Nica‘ vergönnt, in unserem naturnah gestalteten Fluggehege in einem Schwarm von Graupapageien und verpaart mit dem Graupapagei ‚Nelly‘ zu leben. Am 17.10.2020 mussten wir ‚Nica‘ aus dem Schwarm herausnehmen, von ‚Nelly‘ trennen und an Herrn G., dem Eigentümer, zurückgeben.
Wir haben alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft, die Trennung des Graupapageien-Paares zu verhindern – ohne Erfolg. Wir haben Herrn G. in persönlichen Briefen gebeten, den beiden Graupapageien das Leid der Trennung nicht anzutun – ohne Erfolg.
Wie ,Nicas‘ Befinden ist, wissen wir nicht. Wir haben keinen Zugang mehr zu ‚Nica‘. Ende Oktober 2020 haben wir das zuständige Veterinäramt über den Vorgang informiert und es aufgefordert, die Papageienhaltung von Herrn G. zu überprüfen. Ob eine Überprüfung durchgeführt wurde, wissen wir nicht; aus Gründen des Datenschutzes informieren Veterinärämter generell nicht über die Ergebnisse ihrer Überprüfungen und über angeordnete Maßnahmen.
Das Befinden des Graupapageis ‚Nelly‘, der in unserem Fluggehege zurückblieb, ist jedoch sehr schlecht: Er nimmt zwar Nahrung zu sich, ist aber auch nach vier Wochen noch stark irritiert. Die durch die Handaufzucht verursachten Verhaltensstörungen, die während der gemeinsamen Zeit mit ‚Nica‘ weniger deutlich waren, treten wieder verstärkt auf. So ist er wieder sehr stark fixiert auf Menschen und sucht ständig die Nähe der Tierpflegerinnen. Und als wolle er ‚Nica‘, hinterher fliegen, versucht er immer wieder durch das Tor, durch das ‚Nelly‘ herausgetragen wurde, die Flughalle zu verlassen.
Wir lassen nichts unversucht, um ‚Nellys‘ Befinden zu verbessern und hoffen, dass er sich bald wieder seinen Artgenossen in der Flughalle zuwendet und eine neue Partnerschaft eingeht.
Wir haben jahrelang für den Verbleib des Graupapageis ‚Nica‘ bei seinem Partner ‚Nelly‘ gekämpft. Letztlich mussten wir uns einem zweifelhaften, in keiner Weise am Tierwohl interessierten Urteil des Amtsgerichtes Bremen beugen. Egoismus, Rücksichtslosigkeit und Ignoranz hatten gesiegt.
Im Folgenden geben wir nochmals die wichtigsten Stationen dieses Kampfes wieder:
1.
Herr G., der Eigentümer von ‚Nica‘, wandte sich im Herbst des Jahres 2007 an das Papageien-schutz-Centrum Bremen e. V.. Er hielt seinen Graupapagei ‚Nica‘, den er 1994 als Wildfang erworben hatte in Einzelhaltung und zumeist untergebracht in einer kleinen rollbaren Zimmervoliere.
Da Herr G. mit der Haltung des Graupapageis überfordert war, wollte er ihn abgeben und unbedingt im Fluggehege des Papageienschutz-Centrums Bremen e. V. unterbringen, um ihm dort ein Leben mit Artgenossen zu ermöglichen. Das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. konnte den Graupapagei zum damaligen Zeitpunkt jedoch nicht in das Fluggehege aufnehmen. Um Herrn G. zu helfen und seinem Graupapagei ein weiteres Leben in Einzelhaltung zu ersparen, vermittelte das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. einen Kontakt zwischen Herrn G. und Frau P.. Frau P. suchte zum damaligen Zeitpunkt einen weiblichen Graupapagei für ihren männlichen Graupapagei, dessen Partnerin kurz zuvor gestorben war. Am 05.12.2007 übernahm Frau P. den Graupapagei. Zu einer Verpaarung kam es jedoch nicht, die beiden Graupapageien lebten lediglich nebeneinanderher.
2.
Nach dem Tod des Partners von ‚Nica‘ im Frühjahr 2014 entschloss sich Frau P., die Haltung von Papageien aufzugeben, aufgrund ihres hohen Alters und den emotionalen Belastungen, die für sie mit der Papageienhaltung verbunden waren. Vor diesem Hintergrund bat Frau P., das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V., ‚Nica‘ in das Fluggehege des Papageienschutz-Centrums Bremen e. V. aufzunehmen, und zwar dauerhaft. Das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V., entsprach der Bitte von Frau P. und übernahm den Graupapagei am 24.07.2014.
3. Im Fluggehege des Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. lebte der Graupapagei ‚Nica‘ gut integriert in einem Schwarm von Graupapageien in einer mit Bäumen, Sträuchern und Rankpflanzen naturnah gestalteten großen Flughalle. Die Flughalle weist eine Grundfläche von 280 m² und eine Höhe von 6 m auf, so dass für die Graupapageien dort großzügige Flugmöglichkeiten gegeben sind. Die Flughalle ermöglicht es den Graupapageien in weitem Umfang, ihre natürlichen Bedürfnisse, die sie als Schwarm-, Flug- und Fluchttiere haben, zu befriedigen und ihren natürlichen Verhaltensweisen gemäß zu leben.
Schon nach kurzer Zeit verpaarte sich der Graupapagei ‚Nica‘ mit dem Graupapagei ‚Nelly‘.Alle Aktivitäten unternahmen sie gemeinsam; sie waren unzertrennlich.
4.
Nachdem Frau P. den Graupapagei an das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. übergeben hatte, stellte sich nach einigen Wochen heraus, dass ihr die Trennung von dem Papagei erhebliche psychische Probleme bereitete. Sie forderte die Rückgabe von ‚Nica‘. Unter Hinweis auf das Leid, das den miteinander verpaarten ‚Nica‘ und ‚Nelly‘ durch eine Trennung zugefügt würde, lehnte das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. die Rückgabe zum Schutze des Tierwohls ab. Denn die Erfahrung zeigt, dass die Trennung von verpaarten Graupapageien zu erheblichen Beeinträchtigungen ihres Wohlbefindens und zu irreversiblen Verhaltensstörungen führen kann. Das Leiden des Graupapageis ‚Nica‘ wäre zudem noch erheblich verstärkt worden durch die Herausnahme aus der vertrauten Umgebung der naturnah gestalteten Flughalle und durch die Herausnahme aus dem Schwarm.
5.
Frau P. verklagte das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. beim Amtsgericht Bremen auf Herausgabe des Graupapageis ‚Nica‘. Die Klage wurde jedoch abgewiesen, weil sich herausstellte, dass sie gar nicht Eigentümerin und somit klageberechtigt war, sondern den Graupapagei ‚Nica‘ nur in Pflege genommen hatte, ohne dass Herr G. ihr das Eigentum an dem Graupapagei ‚Nica‘ übertragen hatte.
6.
Infolgedessen verklagte einige Wochen später nun der Eigentümer, Herr G., das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. beim Amtsgericht Bremen auf Herausgabe des Graupapageis ‚Nica‘, obwohl gerade er es gewesen war, der ursprünglich den Papagei im Fluggehege des Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. unterbringen wollte.
7.
Am 02.05.2018 verurteilte das Amtsgericht Bremen – in einseitiger Fixierung auf eigentumsrechtliche Gesichtspunkte und ohne Beachtung des Tierwohls – das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V., den Graupapagei ‚Nica‘ an Herrn G. herauszugeben und somit die beiden Graupapageien ‚Nica‘ und ‚Nelly‘ tierschutzwidrig zu trennen. Bestimmungen des Tierschutzgesetzes und auch der Art. 20a des Grundgesetzes, der den Tierschutz zum Staatsziel erhebt, wurden nicht beachtet.
Über dieses Urteil informierten wir auch Presse und Fernsehen. Mehrfach wurde darüber mit großer Empörung berichtet.
Von der Rechtsanwältin des Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. wurde beim Landgericht Bremen Berufung gegen das Urteil eingelegt, die jedoch vom Landgericht Bremen nicht zugelassen wurde. Gegen diese Nichtzulassung reichte die Rechtsanwältin des Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. Klage beim Bundesgerichtshof (BGH) ein, der jedoch die Nichtzulassung der Berufung für rechtens erklärte. Damit wurde am 21.03.2019 das Urteil des Amtsgerichtes Bremen vom 02.05.2018 rechtskräftig.
8.
Herr G. zeigte aber kein Interesse, sein Eigentum, den Graupapagei ‚Nica‘ zu übernehmen. Erst nachdem das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. ihm Unterbringungs- und Versorgungskosten für ‚Nica‘ für die Zeit ab dem 21.03.2019 in Rechnung stellte, reagierte er und wollte den Graupapagei ‚Nica‘ im Rahmen einer Zwangsvollstreckung (unter Einbeziehung einer Gerichtsvollzieherin) am 07.01.2020 abholen, ohne jedoch die in Rechnung gestellten Kosten zu zahlen. Wir haben Herrn G. angeboten auf die Kostenerstattung zu verzichten, wenn er ‘Nica’ bei ‘Nelly’ lassen würde. Aber auch dieses Angebot hat er ignoriert.
9.
Gegen die Zwangsvollstreckung reichte die Rechtsanwältin des Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. beim Amtsgericht Bremen eine Vollstreckungsabwehrklage ein, die jedoch erfolglos blieb. Auch eine im Rahmen dieses Verfahrens vom Amtsgericht Bremen am 30.03.2020 angesetzte Güteverhandlung blieb erfolglos. Interessant – wenn auch nicht mehr hilfreich – war, dass der Richter an der Rechtsprechung, die zum Urteil des Amtsgerichtes vom 02.05.2018 geführt hatte, mangelnde Empathie mit den beiden betroffenen Papageien kritisierte und es seiner Meinung nach auch ein anderes Urteil hätte geben können.
Im Rahmen der Güteverhandlung wurde die Übergabe des Graupapageis ‚Nica‘ um weitere sechs Monate (bis Ende September 2020) hinausgeschoben. Aufgrund der gescheiterten Güteverhand-lung setzte das Amtsgericht Bremen durch Urteil vom 13.08.2020 fest, Herr G. habe bei der Übergabe des Papageis dem Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. Kosten für die Unterbringung und Versorgung des Graupapageis ‚Nica‘ zu erstatten. Der Richter bezeichnet das Fluggehege als ‚Paradies für Papageien‘, ein Hinweis, der Herrn G. möglicherweise anregen sollte, doch noch auf die Herausgabe von ‚Nica‘ zu verzichten. Herr G. ignorierte diesen Hinweis jedoch.
Am 17.10.2020 wurde ‚Nica‘ vom Partnerpapagei ‚Nelly‘ getrennt und im Fluggehege des Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. an Herrn G. übergeben.
Trotz aller Auseinandersetzungen mit Herrn G., haben wir ihm angeboten und zugesichert, dass wir ‚Nica‘ jederzeit wieder in das Fluggehege aufnehmen, wenn er wieder mit der Papageienhaltung überfordert sein sollte.