Gerichtlicher Schlag gegen den Tierschutz

‚Nica‘ und ‚Nelly‘ sollen getrennt werden!

Das Amtsgericht Bremen hat das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. dazu verurteilt, einen Graupapagei, der seit vier Jahren im Fluggehege lebt, sehr gut in den Schwarm der Graupapageien integriert und seit dreieinhalb Jahren fest verpaart ist, an den früheren Eigentümer zurückzugeben – ein Urteil, das im schlimmsten Fall für die betroffenen Papageien zum Tod führen kann.

Der Tatbestand:

Im Herbst 2007 meldete sich Herr G. beim Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. mit der Anfrage, ob er seinen weiblichen Graupapagei ‚Nica‘ im Fluggehege möglichst schnell unterbringen könne; er habe aus beruflichen Gründen keine Zeit mehr, um sich um ‚Nica‘ zu kümmern. Da zum damaligen Zeitpunkt aus Platzmangel keine Papageien in das Fluggehege aufgenommen werden konnten, vermittelte das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. – um Herrn G. zu helfen – den Kontakt zu Frau P.. Frau P. suchte für ihren männlichen Graupapagei einen weiblichen Graupapa-gei. Herr G. gab ‚Nica‘ in die Obhut von Frau P.

Im Frühjahr 2014 verstarb Frau P.s männlicher Graupapagei. Aufgrund ihres hohen Alters entschloss sie sich, die Papageienhaltung aufzugeben. Sie bat im Juni 2014 das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. , Nica‘ in das Fluggehege aufzunehmen. Obwohl auch zu diesem Zeitpunkt eigentlich keine Papageien mehr aufgenommen werden konnten, gab das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. der Bitte von Frau P. – angesichts ihrer schwierigen Situation- nach und nahm ‚Nica‘ in das Fluggehege auf.

‚Nica‘, als Wildfang 1994 importiert, integrierte sich schnell in den Schwarm der Graupapageien und verpaarte sich Anfang 2015 mit dem Graupapagei ‚Nelly‘. Seither sind die beiden, ein Herz und eine Seele‘. Das war sehr erfreulich, weil es zumeist sehr schwierig ist, Papageien, die lange in Privathaltungen gelebt und durch Zähmung auf Menschen fixiert werden und entsprechend verhaltensgestört sind, wieder mit Artgenossen zu verpaaren.

Anders als bei ‚Nica‘, die sich hervorragend in die neue Situation eingewöhnte, war es bei Frau P.. Schnell zeigte sich, dass ihr die Trennung von ‚Nica‘ psychische Probleme bereitete. Sie verlangte die Rückgabe von ‚Nica‘, also die Trennung ‚Nicas‘ von ihrem Partner ‚Nelly‘. Ihr Verhalten im Fluggehege – insbesondere gegenüber dem Personal – wurde schließlich so extrem, dass ihr Ende 2014 ein Hausverbot erteilt werden musste.

Da das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. die Rückgabe ablehnte, reichte Frau P. Klage beim Amtsgericht Bremen ein. Sie zog die Klage jedoch wieder zurück, weil sich in den Verhandlungen vor dem Amtsgericht Bremen herausstellte, dass sie – entgegen ihrer Behauptung – gar nicht Eigentümerin von ‚Nica‘ war, also auch nicht klageberechtigt war.

Nach diesem erfolglosen Versuch trat nach 7 Jahren Herr G. wieder auf den Plan und verlangte die Rückgabe, was besonders absurd ist, weil ‚Nica‘ doch jetzt dort war, wo Herr G. sie 2007 unterbringen wollte. Das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. verweigerte auch die Rückgabe von ‚Nica‘ an Herrn G.. Herr G. reichte daraufhin – sich ausschließlich stützend auf seine Rechte, die er als Eigentümer zu haben meinte, und ohne weitere Gründen zu nennen – im Juni 2016 beim Amtsgericht Bremen Klage ein. Über die Klage wurde Anfang Mai 2018 entschieden.

Das Urteil

In Erwiderung der Klage hat die Rechtsanwältin, Frau Peters-Rehwinkel, die das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. in dieser Angelegenheit vertritt, deutlich auf das massive Leid hingewiesen, das ‚Nica‘ und ihrem Partner ‚Nelly‘ im Falle einer Trennung zugefügt wird.

Graupapageien binden sich, wenn sie denn – wie ‚Nica‘ und ‚Nelly‘ eine Paarbindung eingehen – bis zu ihrem Tod aneinander. Da gewaltsame Trennungen von Papageienpaaren durch Menschen immer wieder vorkommen, sind die leidvollen Folgen gut bekannt. Insbesondere kann es zur Verweigerung der Nahrungsaufnahme kommen, die bis zum Hungertod führen kann, oder zu irreversiblen Verhaltensstörungen, wie Apathie, dauerhaftes Schreien nach dem verlorenen Partner, Aggression gegen Artgenossen und gegen Menschen oder Autoaggressionen, die sich z. B. in der Zerstörung des eigenen Gefieders zeigen. Besonders häufig zeigt sich, dass von einer gewaltsamen Trennung betroffene Papageien sich häufig nicht wieder verpaaren.

Vor diesem Hintergrund wäre eine Trennung der beiden Papageien ein Verstoß gegen §1 des Tierschutzgesetzes, der ausdrücklich dazu verpflichtet, ‚Leben und Wohlbefinden‘ der Tiere zu schützen.
In seinem Urteil hat das Amtsgericht das zu schützende Tierwohl jedoch komplett ignoriert. Ausschließlich eigentumsrechtliche Erwägungen sind in das Urteil eingeflossen.

Es billigt dem Kläger, Herrn G., einen Anspruch auf die Herausgabe von ‚Nica‘ zu, ohne auch nur einen Gedanken darauf zu verschwenden, welche leidvollen Auswirkungen die Herausgabe für ‚Nica‘ und für ‚Nelly‘ zur Folge haben wird.

Das Urteil hält es für berechtigt, auf ‚Nica‘ nach § 90a Satz 3 BGB Vorschriften anzuwenden wie sie auf Sachen angewendet werden können. Das Urteil behandelt ‚Nica‘ faktisch als Sache. Es missachtet den Kerngehalt des §90a BGB: ‚Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt.‘ Und es missachtet auch die Einschränkung, dass auf Tiere die für Sachen geltenden Vorschriften anzuwenden sind, ‚soweit nicht etwas anderes bestimmt ist‘.

Für die Tiere aber kennt das Recht in Deutschland andere Bestimmungen, nämlich die des Tierschutzgesetzes. Entsprechend sind auch die Befugnisse der Eigentümer von Tieren in §903 BGB Satz 1 eingeschränkt: ‚Der Eigentümer eines Tieres hat bei der Ausübung seiner Befugnisse die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere zu beachten.‘

Auch diese Bestimmung wird im Urteil ignoriert, denn sie hätte zur Folge gehabt, dass dem Kläger wohl das Eigentumsrecht hätte zugesprochen werden können, die Befugnis, die Herausgabe von ‚Nica‘ zu verlangen, aber hätte dem Kläger verwehrt werden müssen, denn die Herausgabe verursacht bei den betroffenen Papageien Leid und missachtet insofern ‚die besonderen Vorschriften zum Schutz der Tiere‘.

Die Missachtung des Tierschutzgesetzes in der Urteilsfindung des Amtsgerichtes Bremen verstößt auch gegen den Art. 20a des Grundgesetzes, der den Tierschutz zum Staatsziel erhebt und nach Maßgabe von Gesetz und Recht ausdrücklich auch die Rechtsprechung auf den Tierschutz verpflichtet. Die für das Urteil verantwortliche Richterin des Amtsgerichtes ist dieser Verpflichtung nicht nachgekommen.

Es wurde seitens der für das Urteil verantwortlichen Richterin auch nicht versucht ein Urteil zu fällen, dass in Form eines Kompromisses die Eigentumsansprüche des Klägers, Herr G., und dem vom Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. erhobenen Anspruch auf Einhaltung des Tierschutzgesetzes berücksichtigt. Diesbezüglich hätte es viele Möglichkeiten gegeben.

Der Verdacht liegt nahe, dass die verantwortliche Richterin gar nicht an einem ausgewogenen Urteil interessiert war, das die Rechtsansprüche beider Seiten vermittelnd berücksichtigt hätte, sondern ausschließlich an einem Urteil gegen den Tierschutz.

Dafür spricht ein wichtiges Detail des Urteils: Der Streitwert, also Wert des Graupapageis ‚Nica‘, wurde völlig realitätsfern so niedrig angesetzt, dass das Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. gegen das Urteil nicht in Berufung gehen kann. Durch diese Beschneidung des Rechtsweges bleibt die Rechtmäßigkeit des Urteils durch die nächst höhere Instanz (Landgericht) ungeprüft.

Das Urteil des Amtsgerichtes Bremen nötigt die Verantwortlichen des Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. nunmehr, den Graupapagei ‚Nica‘ von seinem Partner ‚Nelly‘ zu trennen und beiden Papageien Leid zuzufügen; das Urteil nötigt die Verantwortlichen des Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. gegen das Tierschutzgesetz zu verstoßen. Geben die Verantwortlichen des Papageienschutz-Centrum Bremen e. V. ‚Nica‘ nicht heraus, wird sie auf dem Weg der Zwangsvollstreckung gewaltsam geholt.

Das Urteil des Amtsgerichtes Bremen schafft nicht nur Tierleid, sondern auch Unrecht! Es ist ein Urteil, das eines Rechtstaates unwürdig ist!

Bei aller Kritik am Urteil darf selbstverständlich nicht vergessen werden, wer die entstandene Situation zu verantworten hat: Frau P. und Herr G., Menschen ohne Verantwortungsbewusstsein, die sich nach Lust und Laune Papageien anschaffen, weggeben und wiederholen wollen – völlig rücksichtslos gegenüber dem Wohl der betroffenen Papageien und nicht zögern, zur Durchsetzung ihrer Rücksichtlosigkeit auch Gerichte in Anspruch zu nehmen. Ihr Erfolg vor dem Amtsgericht war nur möglich, weil sie auf eine Richterin trafen, die ebenso wenig Rücksicht auf das Tierwohl und auf die Gesetze zum Schutz des Tierwohls genommen hat.