Viele Papageienhalterinnen und Papageienhalter bieten ihren Papageien Grit an, der im Zoofachhandel in den unterschiedlichsten Zusammensetzungen angeboten wird, häufig in der Mischung mit Vogelsand, verschiedenen Mineralien und Holzkohle. Sie folgen der Auffassung, die in vielen Ratgebern und Websites zum Thema ‚Papageienhaltung‘ vertreten wird, der zufolge Papageien Grit als Verdauungshilfe und zur Deckung ihres Calciumbedarfes bräuchten.

Aber brauchen Papageien wirklich Grit?

Tiermedizinische Untersuchungen, die schon in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts in den USA zu dieser Frage durchgeführt wurden (1), haben ein eindeutiges Ergebnis erbracht: Papageien brauchen nicht nur kein Grit, es kann für ihre Gesundheit unter bestimmten Voraussetzungen sogar schädlich sein!

Zum Verständnis dieses Ergebnisses, ist es notwendig, sich näher mit dem Produkt zu beschäftigen, dass im Handel als ‚Grit‘ verkauft wird.

Was ist Grit ?

Grit ist die Bezeichnung für wenige Millimeter große Partikel zweier unterschiedlicher Substanzen, die in den Grit-Produkten, wie sie im Zoofachhandel üblicherweise angeboten werden, zumeist beide enthalten sind:

Zum einen sind es kleine Gesteinspartikel, die so genannten ‚Magensteinchen’. Ihrer chemischen Zusammensetzung nach bestehen diese Gesteinspartikel hauptsächlich aus Verbindungen des Siliziums, zum Beispiel aus Quarz (SiO2). Zum anderen sind es kleine ‚Kalksteinchen‘ oder gemahlener Kalk. Kalk besteht seiner chemischen Zusammensetzung nach im Wesentlichen aus Calciumcarbonat (CaCO3). Bei dem im Grit enthaltenen Kalk handelt es sich zumeist um zerkleinerte Muschel- und Sepiaschalen. Der Kalk wird daher auch als ‚Muschelkalk‘ bezeichnet. Je nach Größe der ‚Magensteinchen‘ und der ‚Kalksteinchen‘ wird im Handel zwischen feinem (1,0 – 2,5 mm) und grobem Grit (2,5 – 4,5 mm) unterschieden.

Aufgrund ihrer chemischen Verschiedenheit werden diese beiden Grit-Substanzen im Magentrakt des Papageis durch die dort wirkende Verdauungsflüssigkeit, die im Wesentlichen aus Salzsäure (HCl) besteht, unterschiedlich verarbeitet.

Während der ‚Muschelkalk’ durch die Salzsäure aufgelöst, also verdaut und das in ihm enthaltene Calcium dem Stoffwechsel somit zugänglich gemacht wird, vermag die Salzsäure die aus Siliziumverbindungen bestehenden ‚Magensteinchen‘ chemisch nicht zu verändern. Sie bleiben erhalten und unter Umständen monatelang im Magentrakt des Papageis, bis sie irgendwann über die Kloake ausgeschieden werden.

Aufgrund dieser unterschiedlichen Reaktionsweisen wird der ‚Muschelkalk’ auch als ‚lösliches’ Grit und die ‚Magensteinchen’ als ‚unlösliches’ Grit bezeichnet.

Die Frage, ob Papageien wirklich Grit brauchen, muss also für beide Grit-Substanzen getrennt beantwortet werden.

Magensteinchen

Mit der Entdeckung, dass die Muskelmägen von ‚granivoren‘ Vögeln, also von Samen verzehrenden Vögeln, die in freier Natur leben oder unter naturnahen Verhältnissen als Haustiere gehalten werden, in der Regel kleine Steinchen enthalten, hat sich in der Vergangenheit die ornithologische Lehrmeinung herausgebildet, die Steinchen unterstützten die Verdauung dieser Vögel und würden von ihnen auch zu diesem Zweck verschluckt (Lithophagie). Hieraus wurde der Schluss gezogen, dass Samen verzehrende Vögel, die als Haustiere in Wohnungen gehalten werden, wie z.B. Papageien, in der Form von Grit mit ‚Magensteinchen‘ zu versorgen seien.

Zur Überprüfung dieser Lehrmeinung ist es zunächst notwendig, sich den Aufbau und die Arbeitsweise des Magentraktes bei Vögeln zu vergegenwärtigen.

Der Magentrakt der Vögel

Der Magentrakt (ventriculus) eines Vogels besteht aus dem Drüsenmagen (Proventriculus)und dem Muskelmagen (ventriculus muscularis). Der Drüsenmagen ist mit Drüsen ausgestattet, die eine Verdauungsflüssigkeit produzieren, die im Wesentlichen aus Salzsäure, darüber hinaus aber auch aus dem Enzym Pepsin besteht. Durch diese starksäurehaltige Verdauungsflüssigkeit wird das aufgenommene Futter desinfiziert und in einen Nahrungsbrei umgewandelt, der in den Muskelmagen weitergeleitet wird, wo die eigentliche Magenverdauung stattfindet.

Der Muskelmagen besteht aus verschiedenen Muskeln, die auf eine Weise zusammenwirken, dass unter beträchtlichem Druck eine reibende und mahlende Bewegung ausgeführt wird. Die Oberfläche des Mageninneren trägt eine harte Reibeplatte, bestehend aus der Kohlenhydrat-Eiweiß-Verbindung Koilin, die von speziellen Drüsenzellen in der Magenwand abgesondert wird.

Die wesentliche Aufgabe des Muskelmagens besteht bei Samen verzehrenden Vogelarten, also auch bei den meisten Papageienarten, in der Eiweißverdauung.(2)

Das in der Verdauungsflüssigkeit enthaltene Enzym Pepsin bewirkt die chemische Aufspaltung des in der Nahrung enthaltenen Eiweißes, das sodann vom Körper aufgenommen und in körpereigenes Eiweiß umgewandelt werden kann.

Zu diesem Zweck muss jedoch die Nahrung zunächst durch das Zusammenwirken von mahlender Bewegung der Magenmuskulatur und Reibeplatte mechanisch zerkleinert und dabei vollständig mit der Verdauungsflüssigkeit durchsetzt werden.

Die mechanische Zerkleinerung ist notwendig, weil die Verdauungsflüssigkeit zwar das Innere der Samen, aber meist nicht die faserigen Hüllen und Schalen der Samen zersetzen können. Die faserigen Hüllen schützen die Samen also vor der Verdauung, das Eiweiß der Nahrung kann vom Vogel nicht aufgenommen werden. Hieraus erklärt sich, dass der Muskelmagen bei Vogelarten besonders kräftig ausgebildet ist, die vorzugsweise von Samen und anderen Pflanzenteilen leben. (3)

Was ,Magensteinchen‘ angeblich bewirken sollen

Die Funktion der ‚Magensteinchen‘ soll nun nach der Auffassung vieler Biologen, Ornithologen und Tiermediziner darin bestehen, an der mechanischen Zerkleinerung der Samen und anderer Pflanzenteile im Muskelmagen mitzuwirken, indem sie durch die druckvollen Bewegungen des Muskelmagens wie Mahlsteine die Samen zerreiben. Nicht selten wird behauptet, Magensteinchen ersetzten den Vögeln die Zähne zum Zerkleinern der Nahrung. Allerdings sind Zweifel angebracht, ob die Magensteinchen tatsächlich diese Funktion haben. So schreibt der Biologe und Chemiker H.-H. Bergmann schon 1987 in seinem Buch, Die Biologie des Vogels’: Gemeinhin nimmt man an, dass die Magensteinchen die mechanische Arbeit des Muskelmagens wirkungsvoll unterstützen. Doch ist diese Funktion ist nicht genügend bewiesen. (4)

Tatsächlich ist die Vorstellung, die Mägen dieser Vögel seien von Natur aus derart unzureichend gestaltet, dass sie zur Erfüllung ihrer Funktion auf eine ‚mechanische Verdauungshilfe’ von außen angewiesen seien, wenig plausibel. Es kann sicherlich davon ausgegangen werden, dass ein gesunder Vogelmagen natürlicherweise über die notwendige Kraft und Stabilität verfügt, die aufgenommene Nahrung zu verdauen. Und selbst wenn die Steinchen im Muskelmagen die Funktion einer ‚mechanischen Verdauungshilfe’ erfüllen können, muss diese Funktion keineswegs der Grund sein, der die Vögel in freier Natur dazu bringt, die Steinchen zu verschlucken.

Wahrscheinlicher ist, dass die ‚Magensteinchen‘ in überhaupt keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Verdauung der Vögel stehen, sondern von ihnen zufällig aufgenommen werden, wenn sie auf dem Erdboden liegende Nahrung, wie z. B. Samen, aufpicken. Möglich wäre auch, dass Vögel kleine Steinpartikel aufnehmen, um sich mit Mineralien und Spurenelementen zu versorgen, die sich unter Einwirkung der stark salzsäurehaltigen Verdauungsflüssigkeit im Magentrakt aus den Steinchen herauslösen.

Allerdings gilt dies nicht für die zumeist aus Quarz bestehenden ‚Magensteinchen‘ im handelsüblichen Grit; sie enthalten keine weiteren Mineralien oder Spurenelemente, die dem Grit – wie bereits erwähnt – jedoch in der Regel als zusätzlichen Substanzen beigefügt sind.

Gänzlich unhaltbar wird die Auffassung, Samen verzehrende Vögel bräuchten Magensteinchen für die Verdauung im Hinblick auf Papageien.

Wie viele andere Vogelarten leben auch viele Papageienarten vorzugsweise von Pflanzensamen, aber im Gegensatz zu anderen Vogelarten, verschlucken Papageien die Samen nicht vollständig, sondern entfernen zunächst mit dem Schnabel die in der Regel faserigen und harten Samenhüllen und schlucken nur das, zumeist weiche, Innere der Samen.

Das Schälen erfolgt im Zusammenwirken von Schnabel und Zunge des Papageis:

Zum Schälen werden die Samen zwischen der Oberschnabelspitze und der Unterschnabelschneide gehalten und dann mit der Zunge fixiert. Sobald der Unterschnabel mit seiner Schneidekante einen Ansatzpunkt an der Schale gefunden hat, wird mit einem Biss die Schale aufgebrochen. Anschließend wird der Samen mit der Zunge gedreht und die Schale der anderen Seite entfernt.’ (5)

Der geschälte Samen wird zumeist noch zerbissen und erst dann verschluckt. Ein ähnliches Verhalten zeigen die Papageien auch beim Verzehr von Früchten. Die Früchte bzw. die Fruchtstücke werden mit der Kralle gehalten, das Fruchtfleisch wird in kleinen Stücken von der härteren Fruchtschale getrennt, zerbissen und verschluckt, während die Fruchtschale zurückgelassen wird.

Hieraus ergibt sich, dass der Muskelmagen bei Samen verzehrenden Papageien weitaus weniger belastet ist als bei vielen anderen Samen verzehrenden Vogelarten, die die Samen unzerkaut verschlucken. Folglich trifft die Auffassung, Samen verzehrende Vögel müssten zur Unterstützung ihrer Verdauung Magensteinchen zu sich nehmen, auf ‚granivore‘ Papageienarten noch weniger als auf andere ‚granivore‘ Vogelarten zu.

Bei Pollen, Nektar oder ausschließlich Früchte verzehrende Papageienarten hat sich aufgrund der geringeren Belastung, die bei der Verdauung dieser Nahrung für die Verdauungsorgane gegeben ist, die Muskulatur des Muskelmagens ohnehin weitgehend zurückgebildet. Der Muskelmagen ist bei diesen Papageien nur ein ‚weichhäutiger Sack’ (6).

Es besteht also keine Notwendigkeit, Papageien ‚Magensteinchen‘ anzubieten. Da die ‚Magensteinchen‘ nur langsam wieder ausgeschieden werden, besteht vielmehr die Gefahr, dass sie zu einer Belastung des Magen-Darmtraktes werden.

Kalk

Im handelsüblichen Grit findet sich – neben den Magensteinchen – als zweite wesentliche Substanz Kalk in Form unterschiedlich großer ‚Kalksteinchen‘. Der Kalk wird aus Muschelschalen, Schalen von Krustentieren, Sepiaschalen (Skelettteile von Tintenfischen) und Korallen gewonnen. Der Kalk, der auch ‚Muschelkalk‘ genannt wird, besteht seiner chemischen Zusammensetzung nach im Wesentlichen aus Calciumcarbonat, enthält also das für Papageien äußerst wichtige Element Calcium.

Eine ausreichende Versorgung mit Calcium ist wichtig für ein gesundes Gefieder und für einen gesunden Knochenbau. Allerdings kann die Versorgung mit Calcium problematisch werden, wenn den Papageien Calciumcarbonat in der Form von Muschelkalk angeboten wird, insbesondere dann, wenn Muschelkalk ständig und in freiverfügbaren Mengen angeboten wird:

Das im wasserunlöslichen Calciumcarbonat gebundene Calcium kann vom Körper nicht unmittelbar resorbiert (aufgenommen) und zu körpereigenem Calcium verstoffwechselt werden.

Das Calciumcarbonat muss im Drüsenmagen von der in der Magensäure enthaltenen Salzsäure zunächst in das wasserlösliche Calciumchlorid verwandelt werden. Das hierin enthaltene Calcium wird im Darmtrakt über die Darmschleimhäute gut resorbiert und über die Blutbahn in die Körperzellen transportiert.

Das im Grit in der Form von Muschelkalk gegebene Calciumcarbonat bindet also in hohem Maße die Magensäure und erschwert damit die Verdauung der übrigen Nahrung. Zudem entsteht bei der durch die Magensäure bewirkte Umwandlung des Calciumcarbonats in Calciumchlorid das Gas Kohlendioxid, das im Magen-Darmtrakt zu schmerzhaften Blähungen führen kann.

Darüber hinaus belastet das von der Magensäure nicht in Calciumchlorid umgewandelte Calciumcarbonat den Magen-Darmtrakt erheblich, denn die mangelnde Wasserlöslichkeit des Calciumcarbonats erschwert seine Ausscheidung, so dass es zu Verstopfungen kommen kann. Durch die Holzkohle, die vielfach dem Grit beigemischt ist, können sich die Verstopfungen noch verstärken.

Eine anhaltende Überversorgung mit Calciumcarbonat kann zu schweren gesundheitlichen Schäden führen: Magenschleimhautentzündung, Entzündung der Bauchspeicheldrüse, aber auch Lebererkrankungen und Nierenfunktionsstörungen können die Folge sein.

Um derartige Erkrankungen zu vermeiden, sollte unbedingt darauf verzichtet werden, Papageien – unkontrolliert und ständig zugänglich – Muschelkalk als Bestandteil von Grit anzubieten. Noch besser ist für das Wohlbefinden der Papageien, ihnen gar kein Muschelkalk anzubieten.

Es sollte also auch darauf verzichtet werden, Papageien aus Muschelkalk gepresste Kalksteine oder ganze Sepiaschalen anzubieten, die zudem für Papageien gesundheitsschädlich sein können, weil zumeist einen hohen Salzgehalt aufweisen.

Empfehlenswert ist, die Calciumversorgung im Wesentlichen über calciumhaltige Nahrungsmittel sicher zu stellen und bei Bedarf der Nahrung Calcium zuzusetzen in Form von wasserlöslichen, vom Körper gut resorbierbaren Calciumpräparaten.

Zusammenfassend lässt sich die Frage ‚Brauchen die Papageien Grit?‘ also eindeutig mit ‚Nein‘ beantworten. Papageien benötigen für die Verdauung von Samen im Muskelmagen keine Unterstützung durch ‚Magensteinchen‘, da sie im Zusammenspiel von Schnabel und Zunge zunächst die härtere Samenschale von den Samen trennen und den verbleibenden Sameninhalt zerbeißen bevor sie ihn verschlucken. Und die Calciumversorgung ist über eine ausgewogene Ernährung der Papageien mit dem entsprechenden Obst und Gemüsesorten – und wenn notwendig durch den Zusatz spezieller Calciumpräparate – gesünder zu erreichen als durch zerkleinerte oder zermahlende Muschel- und Sepiaschalen. Die im handelsüblichen Grit enthaltenen Mineralien und Spurenelemente sind zudem als Bestandteile spezieller Futterzusatzpräparate erhältlich.


(1) Branson, R.; Harrison, J.; Harrison, L.; Avian Medicine ; Principles and Application, Lake Worth, 1994.

(2) vgl. King/McLelland; Anatomie der Vögel, Stuttgart 1978, S. 100

(3) ebenda

(4) Hans-Heiner Bergmann; Die Biologie des Vogels, Wiesbaden 1987, S. 98

(5) Hans-Jürgen Künne, Die Ernährung der Papageien und Sittiche, Bretten 2000, S.43

(6) Franz Robiller, Papageien, Bd.1, Stuttgart 2001, S.155